Wien, Gestern und Morgen
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Mein Herr brachte mich nun, dem Rate seines Freundes gemäß, in einer Schachtel zum Jahrmarkt der nächsten Stadt und nahm seine Tochter, meine kleine Wärterin, hinter sich aufs Pferd; die Schachtel war an allen Seiten geschlossen; in der Wand befand sich nur eine kleine Tür, damit ich hinein- und herausgehen könne, nebst einigen gebohrten Löchern, um Luft hereinzulassen. Das Mädchen war so sorgsam gewesen, die Matratze aus ihrem Puppenbett hineinzulegen, damit ich weich liegen könne; dennoch wurde ich auf dieser Reise furchtbar geschüttelt und zugerichtet, obgleich diese nur eine halbe Stunde dauerte; denn das Pferd legte mit jedem Schritte wenigstens vierzig Fuß zurück und trabte so hoch, daß die dadurch bewirkte Erschütterung dem Steigen und Fallen eines Schiffes bei großem Sturme glich, aber bei weitem häufiger war. Unsere Reise dauerte etwas länger als ein Ausflug von London nach Sankt Albans. Mein Herr stieg in einem Wirtshause ab, das er gewöhnlich besuchte; nachdem er sich einige Zeit mit dem Wirt beraten und die nötigen Vorbereitungen getroffen hatte, mietete er den Gultrud oder Ausrufer, damit dieser der Stadt bekanntmache: Es sei im "Grünen Adler" ein sonderbares Geschöpf in der Größe eines Splacknuck zu sehen (das ist ein sehr fein gebautes sechs Fuß langes Tier des Landes); dieses gleiche in jedem Teile des Körpers der Menschengestalt, könne mehrere Worte aussprechen und an hundert ergötzliche Possen vollbringen.
Ich wurde im größten Zimmer des Gasthofes auf einen Tisch gestellt, das an dreihundert Quadratfuß im Umfange betragen mochte. Meine kleine Wärterin stand auf einem Schemel dicht am Tische, um auf mich achtzugeben und zu befehlen, was ich tun solle.
Mein Herr litt, um ein Gedränge zu vermeiden, nicht, daß mich mehr als dreißig Personen auf einmal sahen. Ich ging nach dem Befehl des Mädchens auf dem Tische umher; sie legte mir, soweit es mein Verständnis erlaubte, mehrere Fragen vor, und ich beantwortete diese so gut wie möglich. Dann wandte ich mich einigemal zur Gesellschaft, verbeugte mich demütig, sagte, sie sei willkommen, und sprach einige andere Phrasen aus, die ich erlernt hatte; ferner nahm ich einen mit Getränk gefüllten Fingerhut, den mir Glumdalclitch als Becher gegeben, und trank auf die Gesundheit der Anwesenden. Ich zog den Degen und schwang ihn nach Art der Fechter in England. Meine Wärterin gab mir ein Stück von einem Strohhalm, womit ich, wie mit einer Pike, exerzierte, denn diese Kunst hatte ich in meiner Jugend gelernt. An dem Tage wurde ich zwölf verschiedenen Gesellschaften gezeigt und mußte stets dieselben Albernheiten wiederholen, bis ich durch Müdigkeit und Überdruß halbtot war, denn alle, die mich gesehen hatten, gaben von mir und von den Verhältnissen meines Wuchses zu dem ihrigen so wunderbare Berichte, daß die Leute bereitstanden, die Tür zu erbrechen, um nur hineinzugelangen. Mein Herr litt aus eigenem Interesse in keiner Weise, daß mich andere als meine Wärterin berührten; um jede Gefahr zu vermeiden, wurde der Tisch in solcher Entfernung mit Bänken umgeben, daß mich niemand erreichen konnte. Ein boshafter Schulknabe schleuderte aber eine Haselnuß nach meinem Kopfe, die mich beinahe getroffen hätte; sie flog mit solcher Heftigkeit vorbei, daß sie sicherlich meinen Schädel hätte zerschmettern müssen, denn sie war beinahe so groß wie ein kleiner Kürbis; ich hatte jedoch die Genugtuung, daß der junge Schelm gehörig geprügelt und dann aus dem Zimmer geworfen wurde.
Mein Herr ließ bekanntmachen, er werde mich am nächsten Markttage wieder öffentlich zeigen; indessen ließ er für mich ein bequemeres Transportmittel verfertigen, und dazu hatte er genügenden Grund, denn meine erste Reise und der Umstand, daß ich verschiedene Gesellschaften acht Stunden lang unterhalten mußte, hatten mich so sehr angegriffen, daß ich kaum auf den Beinen stehen und kaum ein Wort sprechen konnte. Erst nach drei Tagen kam ich wieder etwas zu Kräften, aber damit ich auch zu Hause keine Ruhe hätte, begaben sich alle Herren von Stande auf dreihundert Meilen in der Runde, nachdem sie von meinem Ruhme gehört hatten, in die Wohnung meines Herrn, um mich zu sehen. Wenigstens dreißig Männer kamen mit Frau und Kindern (das Land ist sehr bevölkert). Mein Herr verlangte dann die Zahlung eines gefüllten Zimmers, selbst wenn nur ein Mann mit seiner Frau kam. Einige Zeitlang hatte ich keinen Tag Ruhe (nur am Mittwoch, der in Brobdingnag als Sonntag gilt), wenn ich auch nicht in die Stadt gebracht wurde.
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